[Literaturrecherche] HERZKA, Theodor; Freiland – Ein soziales Zukunftsbild, 1890. Die Freiland-Bewegung in Österreich und Deutschland.

Buch


HERZKA, Theodor; Freiland – Ein soziales Zukunftsbild; Dresden und Leipzig, 1890

Online einsehbar: https://books.google.de/books?id=eUP1DwAAQBAJ

Hier stelle ich einen Titel aus meiner kleinen Gartenbibliothek vor, der durchaus recht nützlich ist, die politischen Bewegungen in den deutschsprachigen Ländern Anfang des 20. Jahrhunderts zu verstehen und zu bewerten.

Die Freiland-Bewegung

Hertzka, ein österreichischer Ökonom und Schriftsteller, war von sozialistischen und utopischen Ideen seiner Zeit inspiriert und entwarf in „Freiland“ eine Vision einer idealen Gesellschaft, die auf Prinzipien von Freiheit, Gleichheit und Selbstverwirklichung basiert. Das Werk hatte zur Zeit seiner Veröffentlichung großen Einfluss auf die sozialutopischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts. 

Hertzkas Publikation „Freiland“ inspirierte viele Sozialreformer, Freiwirtschaftsbewegungen und einige Genossenschaftsprojekte, die sich bemühtes, seine Ideen in die Realität umzusetzen. Hertzka selbst versuchte sogar, „Freiland“ in der Realität zu gründen, und plante eine Kolonie in Ostafrika, die allerdings nie verwirklicht wurde.

Weltweit gab es wohl nur eine einzige Freiland-Kolonie im Sinne von Hertzka (die Freiland-Kolonie Eden in Oranienburg bei Berlin), jedoch fanden seine Ideen Interesse und führten zu verschiedenen Diskussionen, theoretischen Ansätzen und sicher auch zu den Projekten der sogenannten Gartenstädte.
1893 wurde ein "Freiland-Verein" in Wien gegründet, dessen Ziel es war, die Freiland-Idee in die Praxis umzusetzen. Trotz großer Begeisterung konnte jedoch kein wirkliches Projekt realisiert werden, hauptsächlich wegen organisatorischer und finanzieller Hürden.
Ich komme nun aber gleich zum Inhalt des Buches Freiland – Ein soziales Zukunftsbild, welches in einem utopisch-literarischen Stil geschrieben ist, der typisch für sozial-utopische Werke des 19. Jahrhunderts ist. Der Stil verbindet wissenschaftliche und philosophische Überlegungen mit erzählerischen Elementen, um die Vision einer idealen Gesellschaft anschaulich zu vermitteln. Es finden sich also expositorische Beschreibungen und dialogische Passagen ein einem erzählerisch-didaktischen Stil, doch auch mit Sachlichkeit und Präzision, wenn es darum geht das wirtschaftlich-soziale Gedankenexperiment des Verfassers zu bewerben.

Die Handlung von Theodor Hertzkas „Freiland“ (einer fiktiven Kolonie, als eine Art Staat im Staat) ist fiktiv und spielt in einer idealisierten afrikanischen Region, die unbesiedelt und fruchtbar beschrieben wird. Hertzka wählte diesen Ort, um eine unberührte Leinwand für seine utopischen Vorstellungen zu schaffen. Die Idee war, dass in Afrika ein neues, soziales Experiment starten könnte, weit entfernt von den etablierten Gesellschaftsstrukturen Europas.

Beschreibung der Handlung und der Gesellschaft in „Freiland“

In „Freiland“ reist eine Gruppe idealistischer Siedler nach Ostafrika, um dort eine neue Gesellschaft zu gründen, die auf sozialem Wohlstand und Freiheit für alle Mitglieder basiert. Die Gründer von Freiland suchen gezielt nach einem unberührten, fruchtbaren Gebiet, das sie von kolonialen Einflüssen oder fremder Herrschaft unabhängig macht. Diese Region in Afrika dient als Kulisse für die Umsetzung ihrer gesellschaftlichen Ideale.

Die Gemeinschaft in Freiland ist geprägt von sozialen und wirtschaftlichen Grundsätzen, die sich stark von den Gesellschaftsmodellen Europas abheben:

  1. Individuelle Freiheit und wirtschaftliche Gleichheit:

    • Jeder Bürger in Freiland hat das Recht auf einen Anteil am Boden und den natürlichen Ressourcen.
    • Die Bewohner können frei wirtschaften und ihren Lebensunterhalt bestreiten, ohne die Prinzipien der gegenseitigen Unterstützung und Gleichheit zu verletzen.
  2. Kollektive Organisation und selbstverwaltete Gerechtigkeit:

    • Die Gesellschaft wird durch freiwillige Kooperation und demokratische Prozesse organisiert. Es gibt keine staatliche Zwangsstruktur, sondern Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.
    • Das Rechtssystem basiert auf Vereinbarungen, die von den Bürgern selbst geschaffen werden, wodurch eine gerechte und transparente Verwaltung angestrebt wird.
  3. Technologischer Fortschritt und Bildung:

    • Technologische Errungenschaften werden gefördert und sollen das Leben aller erleichtern. Bildung wird als Schlüssel zum Wohlstand und zum gesellschaftlichen Fortschritt gesehen, weshalb Wissen und wissenschaftlicher Fortschritt stark gefördert werden.
  4. Friedliches Zusammenleben:

    • Es gibt keine Soldaten oder Militär, da die Gesellschaft auf Frieden und Kooperation ausgelegt ist. Hertzka wollte zeigen, dass eine Gesellschaft, die auf Vernunft und gegenseitigem Respekt basiert, ohne Gewalt und Zwang bestehen kann.

Warum Afrika?

Afrika war für Hertzka der perfekte Ort für eine unberührte Gesellschaft, da er es als unerschlossen und fruchtbar beschrieb. Dies ermöglichte ihm, eine fiktive Welt zu entwerfen, in der europäische Probleme und Zwänge außen vor blieben, und Freiland wurde so zu einem Idealort für eine gesellschaftliche Neugründung.

Die Freiland-Kolonie Eden in Oranienburg

in Deutschland gab es tatsächlich auch eine Freiland-Kolonie, die heute noch ihre Spuren hinterlassen hat:

Die Freiland-Kolonie Eden, auch als Eden-Kolonie bekannt, wurde 1893 gegründet und war von den sozialutopischen Ideen der Zeit beeinflusst, einschließlich der Schriften von Theodor Hertzka. Sie ist bis heute ein Beispiel für eine alternative Siedlungsform, die auf Gemeinschaftssinn und Naturverbundenheit setzte. Die Siedlung basiert auf der Idee, gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und ein naturnahes Leben zu fördern.

Merkmale und Philosophie

Die Kolonie legte großen Wert auf Selbstversorgung, gesunde Ernährung und gemeinschaftliches Leben. Die Bewohner lebten in Genossenschaftshäusern, die auf ökologische und naturnahe Bewirtschaftung ausgerichtet waren.
Vegetarismus und Naturheilkunde waren zentrale Werte der Siedlung, die sich von den konventionellen städtischen Lebensformen bewusst abgrenzte.
Die Häuser wurden unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeit gebaut und stehen heute oft unter Denkmalschutz. Die Architektur und die Siedlungsstruktur sind ein wichtiges Zeugnis dieser sozialutopischen Bewegung und der Reformbewegungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Die Eden-Kolonie in Oranienburg existiert bis heute als Wohnsiedlung und steht unter Denkmalschutz. Sie gilt als eine der frühesten Beispiele der Gartenstadtbewegung und als ein bedeutendes Modell für ökologische und soziale Siedlungen.

Weitere Quellen

https://de.wikipedia.org/wiki/Eden_Gemeinn%C3%BCtzige_Obstbau-Siedlung

https://eden-eg.de/ Die Eden eG (https://eden-eg.de/) ist die heutige Genossenschaft, die aus der historischen Freiland-Kolonie Eden hervorgegangen ist, welche 1893 in Oranienburg gegründet wurde. Ursprünglich als sozialutopische Siedlung zur Förderung von Vegetarismus, Naturheilkunde und Selbstversorgung ins Leben gerufen, hat sich die Genossenschaft über die Jahrzehnte weiterentwickelt. Heute setzt sich die Eden eG weiterhin für naturnahes, nachhaltiges Leben ein und bietet ihren Mitgliedern Wohnraum, naturnahe Gärten und kulturelle Veranstaltungen an. Die historischen Gebäude und Gärten der Kolonie stehen unter Denkmalschutz und spiegeln die Ideale der Lebensreformbewegung wider, die bis heute die Philosophie der Genossenschaft prägen.

Hier fragt sich natürlich gleich ... was ist eine eG?

Hier meine Recherche (keine Finanz- oder Rechtsberatung!): Eine eG (eingetragene Genossenschaft) ist eine Rechtsform für Unternehmen, die auf dem Genossenschaftsprinzip basiert. Genossenschaften sind gemeinschaftlich organisierte Unternehmen, bei denen die Mitglieder sowohl Eigentümer als auch Nutzer der Leistungen sind. Sie verfolgen in der Regel wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Ziele, die den Mitgliedern zugutekommen. Die Grundidee ist die Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung der Mitglieder.

Merkmale einer eG:

  • Mitgliedschaft: Die Mitglieder der eG sind gleichzeitig Miteigentümer und haben Stimmrechte in der Genossenschaft. Jede Person oder Institution kann Mitglied werden und hat unabhängig vom Anteil eine Stimme, was dem demokratischen Prinzip entspricht.
  • Kapital und Haftung: Die Mitglieder bringen Kapital in die Genossenschaft ein. Die Haftung beschränkt sich auf die eingebrachten Anteile, weshalb eine eG meist keine persönliche Haftung der Mitglieder vorsieht.
  • Ziele: Die eG hat häufig wirtschaftliche oder gemeinwohlorientierte Ziele und stellt die Bedürfnisse der Mitglieder in den Vordergrund. Beispiele sind landwirtschaftliche Genossenschaften, Wohnungsbaugenossenschaften oder auch genossenschaftlich organisierte Dorfläden.
  • Gewinnausschüttung: Der erwirtschaftete Gewinn wird in der Regel nicht primär zur Gewinnmaximierung der Mitglieder verwendet, sondern für die Förderung der gemeinsamen Ziele. Gewinne können reinvestiert oder als Rückvergütung an die Mitglieder ausgeschüttet werden.

Vorteile der eG

Die eG bietet eine sichere Rechtsform für gemeinschaftliche Projekte und Unternehmungen, fördert den Gemeinschaftssinn und bietet durch das demokratische Stimmrecht eine gleichberechtigte Mitbestimmung für alle Mitglieder.