Der Garten der Germanen (1). Quellenstudie Island.

Isändische Landschaft mit Kirche

Vorbemerkung

Ich halte die deutschsprachigen Wissenschaftler des 18. und besonders des 19. Jahrhunderts für die besten Kenner geschichtlicher Aufzeichnungen. Gründe hierfür gibt es einige: Die Universitäten besaßen bereits einen hohen Stand, es gab umfangreiche Bibliotheken und weit verbreitete Fachzeitschriften. Zudem standen der Forschung mehr und mehr antike Quellen zur Verfügung, die eifrig studiert und publiziert wurden.

Die Archäologie stand noch in Kinderschuhen und so konzentrierte man sich zunächst noch wenig auf die Vorgeschichte, sondern auf die schier unübersichtliche Fülle an geschichtlichen Quellen – also an die von Menschenhand aufgezeichneten Dokumente.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts richtete sich das Augenmerk dann mehr und mehr auf die Archäologie und so wurden die klassischen Sprachen (Griechisch, Latein, Hebräisch usw.) weniger studiert und mit diesem auch die entsprechenden klassischen Werke. Aus diesem Grund halte ich die wissenschaftlichen Publikationen, von denen ich hier einige vorstellen möchte, für sehr wertvoll.

Wenn heutzutage für die Geschichte der europäischen “First Nations” aus verschiedensten Gründen wieder zunehmendes Interesse erfährt – wie etwa für die Germanen – so wird oft verwiesen, dass über diese (abgesehen vom Römer Tacitus) wenig geschichtlich fassbares Material vorhanden ist. In meinen Recherchen über einen möglichen Gartenbau der Germanen, stolperte ich allerdings über das folgende interessante Quellenmaterial, welches das Leben der Isländer beschreibt. Dieses Material ist insofern interessant, da, je weiter in im Frühmittelalter ein germanisches Volk vom kulturellen Einfluss der römischen Zivilisation lebte – um so weniger wird es noch in seinen ursprünglichen Sitten und Gewohnheiten leben.
Besonders, wenn es um die Frage geht, inwieweit die Germanen Kräuter und Gemüse anbauten und Gärten anlegten, wird oft angenommen, dass sich der germanische Gartenbau vorzugsweise durch den Kontakt mit den Römern entwickelte. Teilweise ist das so gewesen, doch wenden wir uns nun den besagten Geschichtsaufzeichnungen zu, die hier an dieser Stelle zunächst ohne weitere Kommentierung festgehalten werden soll.

Die Publikation "Altnordisches Leben"

WEINHOLD, Dr. Karl (ord. Professor an der Universität Graz) Altnordisches Leben; Berlin 1856; der Gartenbau ist ab Seite 79ff beschrieben;
Unten ein Textauszug der Seiten 87, 88; Text leicht verändert:

"Auch Gartenbau kannten die alten Isländer. Am beliebtesten war die Angelica (hvönn) [Engelwurz, Angelica archangelica L.] die auch in Skandinavien, wie wir erzählten, in besonderen Gärten gepflegt wurde, und noch jetzt auf der Insel überall gut ohne irgendwelche Pflege gedeiht. Der Wert, den man auf Wurzel und Staude dieses essbaren Krautes legte, erhellt aus der Strafe von sechs Oere, welche auf das ausgraben ans fremdem Grunde gesetzt war [1]; freilich muss dabei berücksichtigt werden, dass die tiefgehende Wurzel arge Durchwühlung des Bodens nötig machte. — Ebenso werden Lauchgärten erwähnt [2], wahrscheinlich mit Knoblauch [Allium ampeloprasum, siehe unten], der auf Island gut gedeiht; doch können bei der weiten Bedeutung des Wortes laukr auch andre saftige und hochschiessende Stauden in diesen Gärten gestanden haben, vielleicht Senfstauden, die zehn Fuß und darüber erreichen und in neuerer Zeit dort beliebte Zierpflanzen waren.

Für Kohlgärten gibt es ebenfalls Zeugnisse. Man hat neuerdings auf der Insel fast alle Kohlarten mit Erfolg gebaut; am besten gedeiht der Braunkohl. — Hopfengarten wie in Skandinavien wird man schwerlich gehabt haben; man brauchte als Ersatz die Schafgarbe (Achillea millefolium), die deshalb Feldhopfen (valhumall) hieß; in einer schwedischen Landschaft wurde noch im vorigen Jahrhundert dies Kraut zum hopfen des Bieres benutzt. [3]

Essbare Kräuter hat Island auch sonst noch manche [4], die vielleicht früher in den Hausgärten gebaut wurden. Auch diese Pflanzungen verfielen gleich dem Ackerbau; doch nahmen sie in dem letzten Jahrhundert einen besseren Wiederaufschwung als jener.

[...] Wenn der Landmann von der schweren Arbeit ruht und an seinem Hause unter den würzigen Kräutern steht, die er pflanzte, wendet er gern den Blick nach den Körben oder den Stöcken, um welche geschäftige Bienen summen.
Die Bienenzucht ist bei dem arischen Stamme uralt und wanderte mit aus Asien nach Europa, aus Deutschland nach Skandinavien."

Die Quellen hierzu:

[1] Grágás landbréfið. 47. [ein Gesetzbuch] siehe auch: web.archive.org ... gragras
[2] Laxdoelas. c 60. [ein Kirchengesetz?]
[3] Olafsen und Povelsen 2, 106. [Reise igjennem Island. Soröe 1772 (?)]
[4] Ein Verzeichnis isländischer Pflanzen bei Olafsen 2, 223-224

Hierzu auch die deutschsprachige Publikation von OLAFSSON (1787) und DIAMOND (2009)

OLAFSSON, Olafur; Olaus Olavius oekonomische Reise durch Island, in den nordwestlichen, und nord-nordostlichen Gegenden ...; Dresden und Leipzig 1787

Hier werden beispielsweise auf Seite 200ff die Küchengärten der Isländer beschrieben.

DIAMOND, Jared; Kollaps - Warum Gesellschaften überleben oder untergehen; Frankfurt am Main 2009
Kapitel 6 Die Wikinger: Präludium und Fugen; Isländische Umwelt Seite 225ff
Die Besiedlung ab dem Jahr 870 durch die Wikinger; auf Seite 248 wird die Natur Islands beschrieben, inwieweit sie für Landwirtschaft und Gartenbau nutzbar ist.

Nochmals die im Internet verfügbaren Quellen:

Altnordisches Leben:
https://archive.org/details/altnordischesle00weingoog/page/n16/mode/2up

Olaus Olavius oekonomische Reise:
https://books.google.de/books?id=fse8C1-wi6cC&

Heutiger Knoblauchanbau in Island 2019:
https://web.archive.org/web/20230914161014/https://saltylava.de/fast-die-gesamte-6-8-tonnen-ernte-des-naechsten-jahres-ist-verkauft/
HARDASON, Sigurður Már;  Fast die gesamte 6-8-Tonnen-Ernte des nächsten Jahres ist verkauft; 14. September 2023: "Der erfolgreiche Versuchsanbau der Knoblauchbauern in NeðriBrekka in Dälar ist nun beendet..."
(bei dem hier im Foto gezeigten Knoblauch, handelt sich offensichtlich um eine Varietät von Allium ampeloprasum var. holmense (Elefantenknoblauch), was an den Brutzwiebelchen an den Knoblauchzehen zu erkennen ist.)

Weitere Literatur von Dr. Karl Weinhold:

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