Garten der Germanen (8) – Der eurasische Steppengürtel. Siedlungsraum, Kulturraum und Autobahn der Jungsteinzeit, Kupfer- und Bronzezeit.

Eurasischer Steppengürtel
Der heutige eurasische Steppengürtel erweitert, wie er in Europa 6000 v. Chr. anzunehmen ist. Siehe dazu [1].

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Zwischenfazit

ZählpixelAnfangs hätte ich es nie gedacht, dass meine Recherche- und Forschungsreisen in die Themen-Landschaften von Landwirtschaft und Gartenbau der Germanen mich auf einen so langen Umweg führen würden. Vielleicht haben meine Leser schon bemerkt, dass ich im April und Mai dieses Jahres voller Elan die Blog-Serie „Der Garten der Germanen“ gestartet habe. Dann jedoch zog mich das Interesse an anderen Themen wie Hackbau und Brandrodungs-Hackbau in den Bann – Techniken unserer Vorfahren, die in der Allgemeinbildung weitgehend fehlen. Im Kontext des hackbasierten Landbaus ohne Pflug habe ich die These von Prof. Dr. Emil Werth (1869–1958) vorgestellt, der die Anfänge des Landbaus in einem "tropischen Hackbau-Gürtel" verortet [2].

Der eurasische Steppen- und Wald-Steppengürtel und seine zivilisatorische Bedeutung

Nun ist meine Recherche um einen weiteren Aspekt erweitert worden: die Entstehung und Ausbreitung eines (über dem tropischen Agrargürtel liegenden) eurasischen Steppen- und Wald-Steppengürtels.

Nach und nach entstand für mich das Bild, dass dieser Steppengürtel nicht nur ein bedeutendes Siedlungsgebiet der Menschen in der eurasischen Mittel- und Jungsteinzeit (bis hin zur Bronzezeit) war, sondern auch ein riesiger, innovativer Kulturraum. Hier entwickelten sich nebeneinander ein modifizierter Hackbau und der erste Ackerbau mit Pflug [3], beides im Ursprung beeinflusst von tropischen Techniken [2], während sich gleichzeitig die Kultur der Hirtennomaden entfaltete. Aus Letzterer gingen schließlich die Indogermanen (Yamnaya-Kultur; zwischen 3300 und 2600 v. Chr. ) hervor, die über viele Jahrhunderte in einer mehr oder weniger friedlichen (oft auch nutzbringenden) Koexistenz gegenüber den sich rasch ausbreitenden Ackerbau-Kulturen lebte [4].

Yamnaya Dorf
Bescheiden, doch mit großen Rinderherden, mögen die Yamnaya, die Ur-Indoeruropäer gelebt haben...

Zudem bildete sich eine Art arbeitsteilige Gesellschaft heraus, in der westeuropäischen Fischer, Jäger und Sammler, seefahrende Gruppen, Megalithkulturen und möglicherweise eine Art Händlernetzwerk ihre Rolle spielten – und das alles im damaligen Völkermeer der Kulturen von Westeuropa bis Ostasien und Amerika.

Die Germanen kultivierten Steppengemüse

Es zeichnet sich ab, dass das Thema des Steppengürtels in seiner ganzen Komplexität eine eingehende Betrachtung verlangt und mein Augenmerk von der direkten Beschäftigung mit den Gärten und der Landwirtschaft der Germanen etwas ablenkt. Schade, denn spektakulärerweise waren die bedeutendsten Gartengemüse der Germanen neben Spargel, Pastinake, Möhre, Rübe und Ackerbohne [5] vor allem Knoblauch (Allium sativum und A. ampeloprasum) und Zwiebeln (Allium cepa). Es sind alles asiatische Steppenpflanzen und die beiden Laucharten sind so alt, dass ihre Wildformen kaum noch auffindbar sind. Ein Gleiches gilt für die Ackerbohne [5], die wir heute in Form der Puffbohne als Gemüse nutzen.

Waldsteppe
Wald-Steppen-Landschaft. So mögen die Germanen gesiedelt haben...

Mittlerweile ist es unbestritten, dass die alte Vorstellung, die Germanen hätten im dichten Wald gelebt, falsch ist. Sie lebten vielmehr in einer Landschaft lichter Wald-Steppen, die aus einem Mosaik von Wäldern, Niederwäldern, offenen Grasflächen und landwirtschaftlich genutzten Gebieten bestand.

Übrigens: Um noch einmal auf den Knoblauch zurückzukommen – spannend ist weiterhin die Frage, warum der Ackerknoblauch (Allium ampeloprasum), der  ebenfalls aus Zentralasien stammt, heute in merkwürdig verwilderter Form (mit Bulbillen, statt Blüten [6]) auf den Kanalinseln, in Südwestengland und Irland wächst und Varietäten auf der Azoren-Insel Graciosa oder weiter sogar in Nordamerika, aber faktisch nicht mehr dort, wo die mitteleuropäischen Germanen siedelten [6]. Aber: Laut Aufzeichnungen der Römer war deren Knoblauch-Konsum enorm!

Dass die Germanen und antiken Völker in Europa bereits auf einen beachtlichen Fundus an kultivierten Gemüsearten zurückgreifen konnten – die meisten davon sind "Steppengemüse" – sollen uns aber noch die zwei letzten Kapitel näher bringen.

Steppe und Schwarzerde

Ein weiterer Themenkomplex, den es zu erfassen gilt, ist der enge Zusammenhang zwischen Steppenlandschaften und den fruchtbaren Schwarzerdeböden, deren Entstehung untrennbar mit diesen Regionen verwoben ist. Zwar gilt dies als gesichertes Wissen, jedoch ist der genaue Hergang der Entstehung der Schwarzerden noch unklar. Einführend kann man sich dazu gut auf dem entsprechenden Wikipedia-Eintrag informieren [7]. Besonders interessant finde ich zwei neuere Erkenntnisse auf diesem Gebiet:

1.) Zum einen favorisiert eine Theorie die Annahme, dass die eurasischen Schwarzerden in einer Zeit entstanden, die vor der jungsteinzeitlich-bäuerlichen Besiedlung lag. Dieser wird nun widersprochen. Ich zitiere weiter aus dem genannten Wikipedia-Artikel:

"Einige Forscher zweifeln die [eben genannte] zurzeit gängige Theorie an, da die C14-Alter von Schwarzerden mit 3000 bis 7000 Jahren vor heute [1000 bis 5000 v. Chr.] für eine präneolithische Entstehung (also in der borealen Klimaphase Mitteleuropas) zu jung zu sein scheinen." [Siehe dazu auch meine Zeittafel]

2.) Des Weiteren lesen wir: "Nach neuerem Kenntnisstand sind Schwarzerden außerdem deshalb tiefschwarz, weil sie deutliche Anteile (10–40 % der organischen Substanz) an pyrogenem Kohlenstoff enthalten." Fazit: Letzteres bedeutet eindeutig, dass die schwarze Färbung der Schwarzerden durch eine Form der Brennbewirtschaftung entstanden sein muss – das ist zumindest mein logischer Schluss.

Weltkarte
Rot markiert sind die heutigen, wichtigsten Schwarzerdeböden [8]

Förderte der Steppengürtel die Entstehung von Kulturpflanzen?

Die Erforschung des eurasischen Steppengürtels eröffnet jedoch auch das Thema der Entstehung vieler altweltlicher Kulturpflanzen – so zumindest meine Vermutung. Der Steppengürtel diente als Verkehrsnetz, über das landwirtschaftliche Techniken und Pflanzenarten ausgetauscht wurden. Die Entstehung von Kulturpflanzen beginnt aber damit, dass räumlich voneinander getrennte Arten an einem Ort zusammengeführt werden müssen, um Hybridformen und Riesenwüchsigkeit zu entwickeln. Dies ist meine Hypothese – oder besser gesagt, meine Schlussfolgerung, wenn man die gängigen Theorien zur Entstehung der Kulturpflanzen konsequent weiterdenkt.

Das vorangegangene Tema lesen >>

Quellen, weitere Hinweise und Literatur

[1] Die originale Bildquelle; https://de.wikipedia.org/wiki/Eurasische_Steppe

Eurasischer Steppengürtel
Heutiger Steppengürtel
Die Steppen- und Wald-Steppen-Landschaft in Europa vor 8000 Jahren wurde von mir im Beitragsbild ganz oben ergänzt. Ergänzung nach:
HOOPS, Johannes; Waldbäume und Kulturpflanzen im germanischen Altertum; Straßburg 1905, Seite 96–97: "Der Hauptzug führte von den pontischen Steppen die Donaulinie aufwärts nach Mähren, Süddeutschland und der Schweiz, wo namentlich das untere Alpenvorland in seiner ganze Ausdehnung von Niederösterreich bis zum Jura, ferner die Hochflächen der Schwäbischen und Fränkischen Alb, das Vorland des Schwarzwalds und das Neckarland, sowie die oberrheinische Ebene von ausgedehnten Steppen bedeckt waren. Auf der Hochsteppe dr fränkischen Alb, im Maingebiet und im nördlichen Böhmen begegnete sich dieser Zug mit einem anderen, der von den pontischen Steppen aus nördlich an den Karpathen entlang nach Norddeutschland verlief, wo wir im mittleren Elbe- und Saalegebiet, in der Kyffhäuser Gegend und am Ostrand des Harzes auf altem Steppenboden stehn, der sich wahrscheinlich durch Nordwestdeutschland bis nach Belgien und Nordfrankreich fortsetzen.
Eine dritte Kette von Steppenflächen endlich scheint das Rhonegebiet über den schweizer Jura mit der oberrheinischen Steppe verbunden zu haben."

[2] WERTH, Prof. Dr. Emil; Grabstock Hacke und Pflug; Ludwigsburg 1954

[3] Die Entstehung der Landwirtschaft fand ebenfalls in einer Wald-Steppen-Landschaft in Anatolien statt. (Nach WERTH westlich von Anatolien, nordwestindisch-afghanisch-innerasiatisch [2] Seite 352) Diese Region war während des frühen Holozäns, als die ersten Anfänge der Landwirtschaft beobachtet wurden, geprägt von einer Mischung aus offenen Wäldern, Grasflächen und Sträuchern. Die Landschaft bestand aus Eichen- und Pistazienwäldern sowie offenen Flächen, die ausreichend Licht boten und somit den Anbau von Pflanzen begünstigten.

[4] BADING, Ingo; [Über die Rolle der Indogermanen und ein Vorstellung über die Lebenswelt nach 4.700 v. Chr.] Rebellen und Könige - Die Indogermanen; siehe besonders Kapitel: II. Eine reiche, international vernetzte Elite herrscht über verarmte Einheimische (Sardinien, 2.500 v. Ztr.); 21.8.2021 siehe zum Thema auch den Videobeitrag: https://www.youtube.com/live/gTp9_XGlpgg?si=KfLj0aL73ymBjA

[5] Mit großer Sicherheit sind nur diese wenige Gartengemüse der Germanen bekannt, die vermutlich im nicht-feldmäßigen Anbau kultiviert wurden. Das sind:
  • Gemeiner Spargel (Asparagus officinalis)
  • Patinak (Pastinaca sativa)
  • Gelbe Möhre (Daucus carota)
  • Rübe, Rübse, Stoppelrübe (Brassica rapa)
  • Meldenarten (Atriplex) und Senf
Bärlauch (Allium ursinum), der nach meiner Vermutung mehr als Pseudonym für die aus Asien stammenden Laucharten zu sehen ist. Ertragreicher als Bärlauch und angebaut wurde höchstwahrscheinlich:
  • Ackerknoblauch (Allium ampaloprasum) als Knoblauchvariante (ich vermute Perllauch)
  • Ackerknoblauch (Allium ampaloprasum) als Porree-Lauchvariante
  • Knoblauch (Allium sativum)
  • Küchenzwiebel (Allium cepa)
Als Obst kultivierte man den Apfel, der mit Sicherheit aus heute noch existenten zentralasiatischen Apfelbaum-Wäldern stammt: Malus sieversii.

Die ackerbaulichen Kulturen waren Felderbse, Gerste, Weizen und Hirse, sowie der eiweißreiche Spelzweizen. Ölfrüchte. (Aufzählung wird noch ergänzt).
Als Besonderheit zu nennen ist noch die Ackerbohne (Vicia faba), auch Saubohne oder Favabohne genannt, stammt vermutlich aus dem östlichen Mittelmeerraum oder Westasien. Die genaue Herkunft ist jedoch unklar, da bisher keine Wildform gefunden wurde! Die frühesten Funde domestizierter Ackerbohnen stammen aus dem 8. Jahrtausend v. Chr. und wurden in archäologischen Stätten im heutigen Israel und Iran entdeckt.

[6] Allium ampeloprasum var. babingtonii und Allium ampeloprasum var. bulbiferum.

Des Weiteren: Verbreitung von Allium ampeloprasum var. ampeloprasum in Europa und Nordamerika:

Die Merkwürdigkeit der Verwilderung von Allium ampeloprasum var. ampeloprasum ist meiner Ansicht nach das konzentrierte Vorkommen in wenigen Regionen, was schwerlich aus einer Verwilderung z.B. aus Gärten heraus erklärt werden kann. Überhaupt verwildern die heutigen kultivierte Formen von Allium ampeloprasum faktisch gar nicht. Einzig der weitgehend unbekannte Perllauch vermag es vielleicht.

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzerde (26.9.2024)

[8] Bildquelle https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzerde#/media/Datei:Chernozem_distribution.JPG

Weitere Literatur:

Guanghui Dong, Huan Liang,Yongxiu Lu und Jia Wang;  Verschiedene Verläufe der Transformation der Lebensgrundlagen als Reaktion auf den transeurasischen Austausch in landwirtschaftlichen, pastoralen und agropastoralen Regionen Nordchinas während der Jungsteinzeit und der Bronzezeit.; Forschungsartikel; 17. April 2024

Max Plank Gesellschaft; Dynamische Interaktionszone zwischen Bauern und Viehzüchtern / Genetische Studie findet frühe Hinweise auf Kontakte zwischen späten Bauerngruppen und frühen Viehzüchtern in der nordwestlichen Schwarzmeerregion; 19. Juli 2013

SCHWANITZ, Prof. Dr. Franz; Die Entstehung der Kulturpflanzen; Berlin, Göttingen, Heidelberg 1957

Vorrücken der Eichenwälder 10000 bis 2000 BC in die nacheiszeiliche Steppe
https://forest.jrc.ec.europa.eu/media/atlas/Past_forests_of_Europe.pdf