September: Efeu blüht. Die Imker freuen sich.

Quellenstudie (1) Brennkultur nach Pinckert, 1861. Der Brand-Feldbau – Zweck und Wirkung im Allgemeinen.

Brannd-Feldbau
Ist es eine schwere Arbeit? (heute: Brenn-Kultur bei Braga, Portugal)

Vorbemerkung

Der aufmerksame Leser meiner Blog-Artikel wird sicher schon bemerkt haben, dass ich immer wieder Anspielungen auf die älteste Form des Landbaus mache. Das ist die Brandkultur (Slash and Burn). Sie ist Thema der folgenden Publikation.
Weiterführend in der praktischen Anwendung, also im Zyklus von Brandrodung, Urbarmachung, Kulturlandnutzung, Brache, Waldregeneration und erneuter Brandrodung, spricht man (ich finde etwas unpräzise) vom Wander-Feldbau oder ein wenig besser formuliert Wander-Hackbau (Shifting Cultivation).

Leider gibt es zu all diesen Themen wenig Literatur 
 (präziser gesagt: öffentlich wahrgenommene Literatur) und so will ich hier auf diesem Blog Abschnittsweise in Teilen eine leicht überarbeitete, hochinteressante Publikation aus dem Jahre 1861 vorstellen. Geschrieben ist sie von Friedrich August Pinckert (Gutsbesitzer und Ökonom) und besitzt nach meiner Einschätzung einen hohen Wert. Das meine ich in Bezug auf die Landwirtschafts-Geschichte und auf die fast vergessene Agrartechnik der Brandkultur.
Hierbei möchte ich gern vorwegnehmen, dass es sich dabei um eine hocheffiziente Anbautechnik handelt. Und wenn heute die Geschichts-Kundigen hin und wieder den Wander-Feldbau der Ur-Germanan (die nebenher auch noch Viehzucht, Jagd und Fischfang betrieben) im Zusammenhang mit einer primitiven Landwirtschaft bringen, so halte ich das für unkorrekt. Ebenso problematisch finde ich auch  die meist in einem negativen Kontext stattfindende Bewertung der Brandrodungen in den tropischen Ländern durch die Europäer.
Ebenso problematisch finde ich die meist in einem negativen Kontext stattfindende Bewertung der Brandrodungen in den tropischen Ländern. Umgangssprachlich ist dann immer von der Brandrodung des Regenwalds die Rede, doch selten vom Wander- oder Brandfeldbau, der ohne Agrochemie und Kunstdünger ebenso effizient ist wie moderne Landwirtschaftsmethoden.

Kommen wir aber nun sogleich zur angekündigten Publikation, bei welcher wir durchaus eine gewisse Begeisterung des Autors Pinckert bemerken. Sie ist berechtigt.
Der Titel lautet:

"Die vollständige Brenn-Cultur in der Landwirthschaft"

in Bezug auf Torf-, Moor-, Rasen-, Gras- und  Haidebrennen, Gereut- und Küttisbrennen , Thon-, 
Lehm , Mergel- und Kalkbrennen ect. zum Behuf der Beurbarung, Verbesserung und Düngung der Culturländereien.
Herausgegeben von Friedr. Aug. Pinckert,
praktischer Ökonom und Gutsbesitzer, Inhaber der dem Sachsen – Erneftinischen Hausorden affilirten Verdienstmedaille, correspondirendes Mitglied der f. t. patr. Stonomischen Gesellschaft im Königreich Böhmen, der Altenburger pomologischen Gesellschaft, des Central- Instituts für Akklimatisation in Deutschland zu Berlin, Ehrenmitglied der praktischen Gartenbaugesellschaft in Bayern, des landwirth. Vereins im Kreise Neuhaldensleben und Umgegend ect. ect.
Berlin.
Verlag von E. Schotte & Co.
1861.
Online-Ausgabe: https://books.google.de/books?id=ffD-ZcYoblkC

Seiten 1 bis 5

Einleitung.

Was versteht man unter landwirtschaftlicher Brenn-Kultur?

Mit diesem neuen, noch in keinem landwirtschaftlichen Werk vorkommenden Ausdruck verstehe ich die Vereinigung verschiedener Meliorationen, deren einzelne Zweige bei der Ausführung landwirthschaftlicher Urbarmachungen und Grundverbesserungen schon von jeher in manchen Ländern und Gegenden von großer Bedeutung waren und eine noch größere Würdigung und Aufmerksamkeit in der Neuzeit erlangt haben.
Die Benennung Brenncultur [modern: Brenn-Kultur, Brandfeldbau] bezeichnet hinreichend die fast ausschließliche Anwendung des Feuers zum Zwecke der Urbarmachung, Verbesserung und Düngung geeigneter Kulturländereien und Bodenarten zu verschiedenen Kulturzwecken. Das Brennen durch Selbsterhitzung spielt dabei nur nebenbei eine untergeordnete Rolle.

Es kann dabei selbstverständlich, weder von der Anwendung der Aschen als künstliche Düngungsmittel, noch von der Benutzung zugeführter gebrannter Erden (Ziegelmehl, gebrannte Töpferton-Abfälle etc. ) die Rede sein.
Die Ausführung der Brenn-Kultur behufs Urbarmachung und Verbesserung des Kulturlandes begreift vielmehr im Gegenteil:
  1. Das Torf- und Moorbrennen, Rasenbrennen,
  2. Abbrennen der Gräser, Moose, Kräuter u. Stoppeln.
  3. Verbrennen der Gehölze und Gesträuche,
  4. Brennen der Düng- Erden und
  5. Brennen der Haideplaggen durch Selbsterhitzung. [Boden der Heidelandschaft]
  6. Pinckert, Brenn-Kultur. [bezieht sich auf den Autor]
Wenn dabei hauptsächlich und zunächst die direkte Benutzung des Feuers zur Anwendung kommt, so geschieht dies deswegen, um den Boden durch die zurückbleibende Asche zu düngen, durch das Feuer zu reinigen und um durch den Verbrennungsprozess die anorganischen Nahrungsstoffe der Pflanzen zu vermehren und eine erhöhte Thätigkeit der Bodenbestandteile herbeizuführen, wie aus der speziellen Erörterung über den Zweck und die Wirkung des Brennens im Allgemeinen hervorgeht.

Zweck und Wirkung des Brennens im Allgemeinen.

Wenn die Anwendung des Feuers beim Acker- und Wiesenbau zum Behuf des Brennens verschiedener Vegetabilien und Erden in vorgenannten Formen (wie bemerkt) die Bereicherung und Verbesserung der Bodenbestandteile im Allgemeinen zum Zweck hat, so läßt sich dessen Wirkung durch folgende Erscheinungen erklären.
Jeden praktischen Landwirt ist bekannt, welchen Werth und welche Bedeutung eine Düngung mit guter Asche, mit alten Baulehm von Schornsteinen und Wänden, klein gestampfter Abfall von leicht gebrannten Ziegeln, Töpfergeschirr ec. hat. Kaum kann man durch ein anderes Düngemittel eine größere und nachhaltigere Wirkung auf die Pflanzenvegetation hervorbringen. Eine ähnliche Wirkung hat der Aschenrückstand beim Torf-, Moor- und Rasenbrennen, beim Ab-, beziehungsweise Verbrennen der Gräser, Stoppeln, Moose, Gehölze und Gesträuche, sowie die gewonnene Düngerde beim Ton-, Lehm- und Mergelbrennen.

[Pflanzenasche als Dünger]

Die Wirkung einer Aschendüngung äußert sich zunächst und hauptsächlich durch ihre unmittelbar währende Eigenschaft auf das vollkommenere Gedeihen der Pflanzenvegetation vermittelst des vorwiegenden Kaligehaltes der Asche und ihrer übrigen mineralischen, den Pflanzenwuchs unmittel- und mittelbar begünstigenden Salze. Mittelbar begünstigt die Asche die Fruchtbarkeit des Bodens insofern, als sie vermöge ihrer Alkalien und alkalische Substanzen ätzend und lösend auf die organischen oder humosen Theile, zunächst des artbaren Bodens wirkt , und die vermehrte Bildung vegetabilisch – animalischer Pflanzennährstoffe befördert.

Früher erkannte man die Asche bloß als Reizmittel und schrieb ihr gar keine unmittelbar nährende Kraft zu, indem man als Regel aufstellte, dass sie durch ihre Kalk- und Kali-Teile die Humussäure des Bodens neutralisiert und die Auflösung des schwerlöslichen, verkohlten Humus begünstige, woraus man das dadurch veranlasste üppigere Pflanzenwachsthum herleitete, allein in neuerer Zeit hat man sich vielfach von der nebenbei sich kundgebenden unmittelbar düngenden Eigenschaft der Asche durch die Tatsache überzeugt, dass wir, nach Sprengel (Vergl. dessen Lehre von den Urbarmachungen ect., 2. Auflage. Leipzig 1860.), alle Körper, welche in der Rasenasche vorkommen, auch in den angebauten Pflanzen wiederfinden.

[Wirkung von Holzasche]

Ferner beobachtete man nach Schulz - Fleeth (Vergl. dessen: Der rationelle Ackerbau etc. Berlin 1856.) , da wo ausgerodetes Strauchwerk auf den Standort selbst verbrannt wird, noch nach mehreren Jahren hinterher, dass sich die Brandstellen durch ihre Fruchtbarkeit ganz besonders auszeichnen. Der kundige Beobachter wird stets gefunden haben, wie nach einem Waldbrand der abgeholzte Waldschlag noch Jahre hindurch einen auffallend üppigen Graswuchs erzeugte. 

[Bericht über Präriebrände (Pampa) in Südamerika]

Zahlreiche Berichte bestätigen nicht minder die Erscheinung, wie nach einem Präriebrand Südamerikas die endlose Rasenfläche im künftigen Jahre mit In der Wirkung von zugeführter und künstlich aufgestreuter Asche gegenüber solcher, welche durchs Brennen von Rasen und andern Vegetabilien auf dem Standorte selbst gewonnen wird, findet ein wesentlicher Unterschied statt, der bedeutend zu Gunsten der letzteren Methode ausfällt. Daraus folgert man, dass die höhere Temperatur während des Verbrennungsprozesses günstig auf den Boden einwirkt, indem nach Sprengel's (Vergl. Urbarmachung, A. a. D.) Mitteilung der Rasenasche am vorzüglichsten einwirkt, wenn man sie so heiß als möglich unterpflügt, indem hierbei alles sich noch entwickelnde Ammoniak gänzlich von der Humussäure des Bodens angezogen wird.

[Entstehung anorganische Nährstoffe]

Durch ein zweckmäßiges Rasenbrennen wird der Vorrat von anorganischen Pflanzennahrungs-Stoffen als:
  • Kali,
  • Natron und Ton,
  • Schwefel- und Phosphorsäure,
  • Kalk- und Talkerde,
welche sich bisher im verkohlten Humus, sowie in den Pflanzenwurzeln angehäuft hatten, vermehrt.

Während des Brennens von Rasen und Erden entwickelt sich aus den organischen Humusteilen des Bodens Ammoniak, welches in Gasform entweicht und zum Nachteil der Fruchtbarkeit verloren geht, wenn die glühenden Aschenhaufen unbedeckt sind (siehe Allg. über Ausführung der Brenncultur) oder wenn die Glühhize sehr stark ist. Ich habe beim Löschen von Düngkalk auf dem Felde gefunden, daß die Haufenstellen einige Jahre nachher unfruchtbar blieben, wenn man die Kalkhaufen unmittelbar auf der Ackerkrume löscht (siehe unten); lässt man hingegen vorher die artbare Bodenschicht auf den Haufenstellen bis auf den Untergrund ausgraben und zur Bedeckung des noch glühenden Kalkhaufens bei Seite legen, nach dem Ausstreuen des Kalkpulvers die Erde aber wieder auf die frühere Stelle bringen, so bemerkt man an den später darauf gebauten Früchten nicht im Mindesten, dass sie an organischer Kraft verloren habe.

[Zu heiße Glut ist ungünstig]

Eine zu starke Glühhiße wirkt auf das Rasen- und Erdbrennen noch insofern schädlich, als dabei der größte Teil des vorhandenen Eisens oder Mangans in Oxyd verwandelt wird, welches keine düngenden Eigenschaften besitzt, während bei gelinder Erhitzung aus dem Eisen und Mangan durch Einwirkung des Kohlen- oder Wasserstoffes der verbrannten Graswurzeln Oxydule [1] entstehen, in welcher sich dann später bei Berührung mit der Luft durch Wasserzerlegung Ammoniak erzeugt. (Vergl. Sprengel , Urbarmachung. a. a. D.)

Auch beim Brennen von Erden vermehrt sich der Gehalt an nutzbaren Alkalien, indem das Feuer eine zersetzende Wirkung auf die Bodenbestandteile ausübt. Zerstörend wird dasselbe für die organischen Humusteile, wenn die Glühhize zerstört ist, oder wenn das Brennen zu oft wiederholt wird.
Die Aschen- und Kohlenrückstände wirken beim Rasen und Erdbrennen auf die Bodenbestandteile erwärmend und lockernd, und führen mithin eine chemische und physische Verbesserung derselben herbei, was vorzugsweise von günstigem Erfolge auf nassen und schweren Boden ist. Größer ist natürlich das Volumen von rückständigen Kohlen oder Aschen, wenn man zum Brennen Holz, Torf und Braunkohlen verwendet.

[Weitere Wirkungen]

Übersehen darf auch nicht werden, wie wohltätig namentlich das Rasenbrennen zur Vertilgung schädlicher Insekten und zur gründlichen Zerstörung der den Kulturpflanzen hinderlichen Unkräuter wirkt. Die mit filzigen Wurzelgeflecht versehenen Moos-, Heidekraut- oder zähe Grasnarbe würde oft kaum im zweiten Jahre in einen gut geklärten Zustand gelangen, wollte man sie bloß durch Rodung oder gewöhnlichen Umbruch kultivieren.

Wenn man auf diese Weise schneller und sicherer zur Beurbarung (Urbarmachung) einer neuen und produktiveren Ackerkrume gelangt, so wird man schließlich gern anerkennen, dass man durch die Brenn-Kultur den Boden nicht allein chemisch, sondern auch physisch verbessern könne, ohne doch zu behaupten, dass dadurch die Kräftigung des Bodens mit anderen Düngemitteln jeglicher Art entbehrlich sei, wie früher Beatson behauptete.
Weiter im Text (Teil 2).

Erläuterungen

Bildrechte Beitragsbild und weitere gemeinfreie Bildquellen:
https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Slash-and-burn

[1] (KI-Text) Der Begriff "Oxydule" stammt aus der historischen Chemie und bezeichnet Verbindungen von Eisen oder Mangan, die in niedrigeren Oxidationsstufen vorliegen. Diese Verbindungen sind nicht vollständig oxidiert und besitzen daher eine geringere Oxidationsstufe als das reine Oxid (Fe₂O₃ für Eisen oder MnO₂ für Mangan). Die teilweise oxidierten Formen könnten Eisen(II)-oxid (FeO) oder Mangan(II)-oxid (MnO) sein. Bedeutung im historischen Kontext:

Niedrige Glühhitze: Bei mäßiger Erhitzung (geringe Glühhitze) wird ein Teil des Eisens und Mangans nicht vollständig zu Oxid (Fe₂O₃ oder MnO₂), sondern zu niedrigeren Oxiden oder "Oxyduen" (z.B., FeO oder MnO) umgewandelt.

Chemische Reaktionen: Diese niedrigeren Oxide können mit Wasserstoff oder Kohlenstoff, die beim Verbrennen von Graswurzeln entstehen, weiter reagieren. Dabei können sich Verbindungen wie Eisen(II)-oxid (FeO) oder Mangan(II)-oxid (MnO) bilden.

Düngereigenschaften: Diese Oxydule haben möglicherweise bessere Eigenschaften für die Bodenfruchtbarkeit im Vergleich zu vollständig oxidierten Formen. Der Text deutet darauf hin, dass bei der Berührung mit Luft und Wasser diese Oxydule zur Bildung von Ammoniak beitragen können, was als Dünger nützlich ist.

Zusammenfassung: Im Wesentlichen geht es in dem Text um den Einfluss der Erhitzung auf die chemische Form von Eisen und Mangan in der Asche und deren Auswirkungen auf die Düngereigenschaften des Bodens. Bei niedrigeren Temperaturen entstehen teilweise oxidierte Formen ("Oxydule"), die bei Kontakt mit Wasser und Luft zur Bildung von Ammoniak beitragen können, was die Fruchtbarkeit des Bodens erhöht.
Diese historischen chemischen Begriffe und Konzepte zeigen, wie man früher die chemischen Prozesse und ihre Auswirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit verstanden hat.

[2] Weitere Literatur online: Nutzung des Feuers in mittel- und nordeuropäischen Landschaften Geschichte, Methoden, Probleme, Perspektiven
Johann Georg Goldammer, Susanne Montag und Hans Page Arbeitsgruppe Feuerökologie, Max-Planck-Institut für Chemie, Abteilung Biogeochemie, c/o Universität Freiburg, 79110 Freiburg

Weitere Literatur von PINCKERT und Dr. Raimund Veit 

[3] PINCKERT, Friedrich August (praktizirender Ökonome zu Ezdorf im Herzogthum Sachsen-Altenburg) [036691 Heideland] Buchtitel:
"Die Vermehrung der Fruchtbarkeit unserer Culturländereien, durch Einführung einer zweckmäßigen Wald-, Hecken- und Koppelwirthschaft, sowie der Vermehrung und Verbesserung des natürlichen und künstlichen Wiesenbaues, der Ent- und Bewässerungen, der natürlichen Düngervermehrung, der Vertiefung des Ackerbodens und der Einführung des Fruchtwechsels
Ein Rathgeber zur Vermehrung des unmittelbaren und mittelbaren Wirthschaftsertrags, des Privat- und Nationalwohlstandes." Braunschweig, 1846

[4] VEIT, Raimund Dr. (Hauptvorstand der kgl. Staatsgüter-Administration und Direktor der landwirthschaftlichen Central-Schule in Schleißheim [Oberösterreich])
"Lehrbuch der Landwirthschaft: zum Gebrauch in Landwirthschafts- und Gewerbs-Schulen und zum Selbstunterricht"; Augsburg, 1846

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