September: Efeu blüht. Die Imker freuen sich.

Wie gut lebten die Bauern der Jungsteinzeit?

Jungsteinzeit Landschaft mit Rind
Symbolbild

Vorbetrachtung

Zählpixel Gestern stellte ich in einem Blog-Artikel in einer schnellen Kalkulation ein paar Kennwerte zusammen und zwar über Gemüse und Nahrungsmittel in Bezug auf ihren Gehalt an Kilokalorien. Mir ist nämlich selber erst seit kurzer Zeit bewusst geworden, dass wir die Möglichkeit der Selbstversorgung durch den Garten überbewerten, wenn wir den Fokus allein nur auf die pflanzliche Nahrungsgewinnung legen. Ich denke, dass ich das recht gut mit einfachen Rechenbeispielen belegen konnte und natürlich habe ich auch die Alternative genannt.

Seit langem vermute ich aber auch, dass wir in ähnlicher Weise unsere Vorstellungen über die Wirtschaftskraft der Jungsteinzeit (in welcher der Ackerbau erfunden wurde) einmal neu justieren sollten. Da gibt es einerseits die landläufige Vorstellung, dass der Anbau von Getreide vor 12.000 Jahren deshalb erfunden wurde, weil nicht mehr genügend Jagdbeute (Großwild) zur Verfügung stand. Andererseits soll das Leben der ersten Baueren schlechter gewesen sein, als das der nebenher lebenden Jäger und Sammler. So wurden in der Vergangenheit schon Rechnungen aufgemacht, inwieweit sich damals die Menschen vom Feldbau hätten ernähren können. Ich gebe sie hier gern wieder:

Konnten sich die Bauern der Jungsteinzeit vom Getreideanbau ausreichend ernähren?

Da gibt es beispielsweise den grob geschätzten Kennwert, dass sich ein Mensch rechnerisch mit 200 Kilogramm Getreide ein Jahr lang ernähren kann, wenn er 2000 kcal pro Tag verbraucht.
Diese 200 Kilo Getreide erntete ein Mensch der Jungsteinzeit bei guten Klima- und Bodenverhältnissen, wenn er 120 Arbeitstage (jeweils zu acht Stunden) auf dem Feld gearbeitet hat.

Doch: Die Nahrungsmittelsicherheit, allein auf pflanzlicher Basis gesichert, konnte das nicht erbringen. Das ist eine sehr hypothetische Kalkulation. Die Rechnung geht schon aus dem Grund nicht so richtig auf, weil ein Mensch bei körperlicher Landarbeit sehr viel mehr als 2000 kcal pro Tag verbrennt.
Bei schwerer körperlicher Arbeit – und da fällt der jungsteinzeitliche Landbau definitiv mit hinein – liegt der Energieverbrauch zwischen 3000 und 6000 kcal pro Person und Tag. Wir müssten also mindestens 4000 kcal, statt 2000 rechnen.

Das Bild vom "hungrigen Baueren"...

Aus der Überbewertung der Bedeutung der Feldwirtschaft jener Ur-Bauern kommt man heutigentags unter den Wissenschaftlern dann auch gern zu dem Schluss, dass die sesshaften Bauern der Jungsteinzeit eigentlich ein recht kärgliches Leben führen. “Das Neolithikum: Vom Jäger und Sammler zum hungrigen Bauern” lautet etwa ein aktueller Beitrag auf T-Online oder “NEOLITHISCHE REVOLUTION: Ackern, ohne satt zu werden” bei Spektrum der Wissenschaft. Da wird der jungsteinzeitliche Bauer als kränklich, kleinwüchsig und früh versterbend dargestellt, der zuvor von morgens bis abends schwitzend, sein täglich Brot verdienen muss.

... das kann so nicht stimmen

Meine These ist, dass es sicher archäologisch nachweisbar neolithische Gesellschaften gab, welche den Jägern und Sammlern gegenüber degenerierten. Das war aber nicht die Regel.
Das waren Gesellschaften, welche den Getreideanbau überbetonten – und ich sage mal – ganz provokativ und garstig – das waren Ur-Veganer. Und wenn wir heute mit unserer Ernährungs-Philosophie so weiter machen – die tierhaltungs-feindliche Agrarpolitik eingeschlossen – dann sind wir irgendwann einmal die verkümmerten Steinzeit-Bauern der Neuzeit, die man in 6000 Jahren ausgraben wird. Trotz dieser, gewollt satirischen Bemerkung bitte ich, sich einmal folgendes zu fragen: Wie konnten, parallel mit der Ausbreitung der bäuerlichen Gesellschaften (von Ost- und Zentralasien aus), überall auf der Welt diese staunenswerten Megalith-Bauten der Steinzeitbauern entstehen, wie bekanntermaßen die Großsteingräber, Menhire, Steinkreise, Stufenpyramiden usw.? Oder: Warum waren gerade die Wikinger – die übrigens auch Gärten besaßen und leidenschaftliche Milchbauern waren [1] – hochgewachsene, gesunde Menschen? Sie lebten doch primitiver, als die Mitteleuropäer jener Zeit und offensichtlich hatten sie neben ihrer Arbeit noch ausreichend Muße, um im Sommer auf Raubzug zu gehen!?

Nachwort ... das Nach-Denken

Mit den soeben gemachten Gedankenspielen, will ich gern einmal die Scheinwerfer neu ausrichten, die auf unsere Agrargeschichte gerichtet sind und das vorhandene Bühnenbild ein wenig verrücken. Ich denke, dass wir durch eine solche Neubetrachtung geschichtlicher Sachverhalte, heute noch praktisch profitieren können, auch in Bezug auf unsere Selbstversorgungs-Projekte. Wir können da noch sehr viel verbessern. Wir haben nur die falschen Dinge am falschen Platz und das falsche Licht darauf.

Quellen und weitere Erläuterungen

[1] Beispielsweise war das Rückgrad der Wikinger auf Grönland 500 Jahre lang (Mittelalterlichen Warmzeit) die Milchviehwirtschaft. Für diese Zwecke bauten sie bemerkenswert große Stallanlagen und bewässerten im Sommer sogar Wiesen für die Gewinnung von Heu. Die grönländischen Wikingersiedlungen erreichten ihren Höhepunkt im 12. und 13. Jahrhundert. Man betrieb neben der Landwirtschaft, Viehzucht und Jagd und handelte mit Walrosselfenbein, Robbenfellen und anderen Produkten mit Europa. Eine Merkwürdigkeit ist, dass sie offensichtlich keinerlei Fischfang betrieben, obwohl es in den Flüssen z.B. reichlich Lachse gab.

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