Quellenstudie (4) Brennkultur nach Pinckert, 1861. Gereutbrennen und Hackwald-Wirtschaft.

Gereutbrennen
Gereutbrennen in Schweden um 1900 (Bild 1)

Zählpixel In diesem Blog-Artikel wird nun wieder ein Teil der 1861 erschienenen Publikation von Friedrich August Pinckert mit kurzen Erläuterungen veröffentlicht. Der Titel des Buches lautet “Die vollständige Brenn-Kultur in der Landwirtschaft”, der auch online einsehbar ist. Siehe dazu unten [1]. Im letzten Kapitel ging es um das Wiesenbrennen.
Dann folgen Ausführungen über das Abbrennen der Gräser, Moose, Kräuter und Stoppeln, (Seite 63 bis 68) was ich hier auslasse, und ebenso ein Abschnitt über das Brandroden von Waldbäumen, wie es damals in Nordamerika üblich war (Seite 69 bis 71).

Vorbemerkung

Ab Seite 72 widmet sich der Autor dann dem Gereutbrennen [Gereut = gerodetes Waldstück, also Brandrodungsfeldbau], wie es damals (aber nicht nur) auf den sogenannten Haubergen noch üblich war.
Zur Thematik der Hauberge findet sich im Internet reichlich Literatur und es gibt auch sehr anschauliche Infoseiten verschiedener Museen und Projekte. Unten habe ich dazu einige Quellenangaben angeführt.

Allerdings unterscheidet PINCKERT zwischen dem Gereutbrennen allgemein und dem Gereutbrennen in den Haubergen, je nach Priorität, ob die Brenn-Kultur (Brandrodungs-Ackerbau) im Vordergrund steht oder die Hackwald-Wirtschaft.
(VETTER [2, 2a] unterscheidet sogar drei Nutzungsarten, wobei in der dritten Form die Holznutzung  vorrangig der Gewinnung von Eichenrinde für die Gerberei diente.)

Mein Blickwinkel auf die Publikation

Worauf ich im Folgenden zusätzlich die Aufmerksamkeit lenken möchte, ist eine scheinbare Nebensächlichkeit, welche ist, dass auf dem Boden des abgeholzten Niederwaldes (Hackwald) im optimalen Falle die Rasensoden mit einer Hacke aufgenommen werden. Mit diesen werden dann Feuerstellen (aus dem getrockneten Restholz) quasi wie kleine Holzkohlemeiler abgedeckt und schwelende Feuer entfacht (Braasenrauch), die dann oft tagelang brennen und qualmen.
Ich meine, dass bei diesem Prozess ein Teil der Holzbestandteile des Waldbodens verkohlt (Pflanzenkohle), womit eine Art Terra-Preta-Substrat entstehen kann, welches den Boden äußerst fruchtbar macht. Das ist vom bloßen Abbrennen von trockenem Geäst und Gras zu unterscheiden, wo rein nur Holzasche entsteht und keine Pflanzenkohle. PINCKERT kommt selber in einem folgenden Abschnitt darauf zurück. Allerdings hat er die Bodenfruchtbarkeit nie auf die Pflanzenkohle zurückgeführt, obgleich eine entsprechend positive Wirkung damals schon bekannt war [3].

Der folgende Text ist leicht überarbeitet, um für die Fremdsprachler verständlich zu sein. Man nutze bitte die Übersetzungsfunktion des Blogs.
Seite 71 unten bis 75

Das Gereutbrennen. [Brandrodungs-Ackerbau im Niederwald]

[Gereut = gerodetes Waldstück. Brandrodungs-Ackerbau mit Hackwald-Wirtschaft (Umtrieb 8-12 Jahre). In dieser Variante steht der Ackerbau im Vordergrund.]

[Zweck]

Das in den oben genannten Gegenden gebräuchliche Gereutbrennen ist mit der Hackwald-Wirtschaft verbunden. Der Zweck ist, das bei der Abholzung verbleibende Abfallholz zu verbrennen, dadurch eine Aschedüngung zu gewinnen, den Boden zwischen den Buschstöcken aufzuhacken und ein oder mehrere Jahre mit Getreide zu bebauen, ohne dabei zu düngen.

Nutzen.

Das Gereutbrennen hat sich besonders in rauen, kalten Klimaten und namentlich in hohen Berg-Gegenden als sehr nützlich erwiesen, da es erfahrungsgemäß dem Boden eine größere Tätigkeit verleiht [biologisch aktiviert?], das Wachstum des Holzes fördert und nebenbei eine nicht unbedeutende Fruchtnutzung gewährt. Es hat sich erwiesen, dass die auf gebranntem Boden erwachsenen Früchte nicht nur unempfindlicher gegen die Witterungseinflüsse sind, sondern auch früher als gewöhnlich reifen. Auch kann man gelegentlich in lückenhaften Buschholzbeständen neue Holzsaat vornehmen.

Nachteil.

Das Gereutbrennen bringt Nachteil, wenn der Fruchtbau zu oft wiederholt wird, denn alles hat seine Zeit. Der Boden wird durch wiederholten Halmfruchtbau [Getreide] erschöpft und kann inzwischen durch Blätter- und Gräserabfall nicht genug Pflanzenhumus entstehen, so dass auch endlich das Holz im Wachstum zurückbleibt. Man hat Fälle, wo man hinterher zweimal Roggen [4] und dann noch wiederholt so oft Hafer baut, bis die Aussaat und Arbeit nicht mehr bezahlt wird. Solche verderbliche Beispiele müssen für Andere eine Warnung sein. Auch in dem Falle kann das Gereutbrennen dem Holzzuwachs nachteilig werden, wenn man beim Bearbeiten der Zwischenräume die Wurzeln der Buschstöcke und bei der Bestellung und Ernte die Äste und Zweige des Oberwuchses nicht schont. [Gemeint sind die jungen Austriebe der Wurzelstöcke]

Werkzeuge.

Die beim Gereutbrennen erforderliche Bodenbearbeitung muss durchs Hacken bewirkt werden, wozu man sich der sogenannten Hainhacke bedient. Das Bearbeiten des Bodens mit den gewöhnlichen Hacken ist für die Holzvegetation verderblich, da bei dessen Anwendung viele Wurzeln von den Buschstöcken mit weggerissen werden.

Gereutbrennen im Badischen.

Es kommt dort hauptsächlich auf dem Oden- und Schwarzwalde an steilen Bergwänden vor, wie sie hier bekanntlich häufig zu finden sind. Man wendet das Gereutbrennen ohne und mit Benutzung von Rasenplaggen an, je nachdem, ob das Buschholz dicht oder dünn steht.

Gereutbrennen ohne Rasenplaggen.

Wo das Buschholz so dicht steht, dass sich keine Rasennarbe auf dem Boden gebildet hat, wird das Buschholz im Winter geschlagen, das stärkste zu anderen Zwecken benutzt und das verbleibende Abfallholz gleichmäßig auf dem Boden verteilt, was im Juli oder August bei trockenem windigem Wetter auf folgende Weise angezündet wird. Man zündet zuerst am oberen Teil des Bergabhangs an und zieht dann allmählich etwas von dem brennenden Holze mit langen Haken den Berg herunter, damit nach und nach alles in Brand gerät. Man beachtet dabei die Vorsicht, dass nicht etwa durch nebenan stehendes Holz Waldbrände entstehen. Man sagt, dass hierbei die Hitze niemals so groß sei, dass die abgeschlagenen Buschstöcke daran Schaden nehmen, weil sie in demselben Jahre wieder Lohden [die Niederwaldgehölze] austreiben. *(Vgl. Sprengel, Urbarmachung 2c. a. a. D.)

Ob es aber nicht zweckmäßiger wäre, das Brennen schon im Frühjahr vorzunehmen, bevor der erste Lohdenausschlag erfolgte, der bei vorstehendem Verfahren unfehlbar verbrennen muss, dürften am füglichsten Sachkenner aus dortiger Gegend beantworten.

So viel ich in diesem Jahre auf einer Reise in die Rheingegend bemerkt habe, wird auch dort die Eichenlohegewinnung [Eichenrinde zum Gerben] benutzt und demgemäß wird sich auch das obige Verfahren danach ändern.

Das Gereutbrennen mit Benutzung von Rasenplaggen [Rasensoden]

Wo das Buschholz dünn und lückenhaft steht und folglich der Boden mit einer Rasennarbe überzogen ist, da wird das dürr gewordene Busch- und Abfallholz den Bergabhang entlang in Reihen gelegt, mit der abgeplaggten Rasennarbe bedeckt und die Reihen am untern Ende angezündet. Man sieht dabei darauf, dass alle Holzteile vollständig verbrennen und der Rasen mindestens gut röstet. Letzterer wird dann im Gemenge mit der gewonnenen Asche über die Fläche gleichmäßig ausgestreut und sodann untergehackt.

Fruchtbau und Fruchtfolge.

Als erste Frucht wird gewöhnlich Roggen [4] gesät, welcher gut und unkrautrein wächst, gut scheffelt und schwer ins Gewicht fällt. Danach folgt Hafer, dagegen selten nochmals Roggen. Auf Hafer folgt noch einoder mehrere Male wieder Hafer, welches Verfahren jedoch nicht bloß aus dem oben angegebenen Grunde, sondern auch deshalb von geringem Erfolg ist, weil dann das Buschholz sich schon wieder zu weit ausgebreitet hat und dadurch dem Fruchtbau Luft und Sonne raubt.

Ernte.

Um den Holzausschlag bei der Ernte zu schonen, wird das Getreide mit der Sichel geschnitten.

Schlageinteilung und Wiederholung.

Man haut das Buschholz alle 8-12 Jahre ab und demgemäß muss auch selbstverständlich das zum Gereutbrennen bestimmte Holzgrundstück in eben so viel gleichmäßige Schläge abgeteilt werden.

Hauberg
Vorarbeiten für das Gereutbrennen in einem Hauberg (Bild 2 ).

Das Gereutbrennen in consolidirten Haubergen.

[Hackwald-Wirtschaft mit Brandrodungs-Ackerbau (Umtrieb = 15-20 Jahre). Hier steht die Gewinnung von Holz, insbesondere Feuerholz, im Vordergrund.] 
Diejenigen Bergwände, wo die Hackwald-Wirtschaft zum Behuf des Gereutbrennens betrieben wird, nennt man Hauberge.
Vorausgesetzt wird, dass die regelmäßigen Jahresschläge groß genug sein müssen, um gehörig geschont zu werden und um dem Getreide die nötige Luft und Sonne zu geben. Wo nun der Holzbesitz der kleinen Privaten dermaßen parzelliert ist, dass diese Bedingungen nicht vorhanden sind, da macht sich die Zusammenlegung der einzelnen Parzellen in größere Pläne erforderlich, was man gewöhnlich die Consolidation der Hauberge nennt.
Im Verhältnis der Größe seines ihm ursprünglich gehörenden Grundstücks erhält dann jeder Miteigentümer einen bestimmten Anteil an der Nutzung. Dieser Anteil kann jedoch nicht allein
nach der Größe der eingeworfenen Fläche bestimmt werden, sondern ist auch zugleich von derselben und deren Holzbestande abhängig. *(Vergl. Dr. Putsche, allg. Encyklopädie. 3. Bd.)

Umtriebszeit.

Die Umtriebszeit in den gemeinschaftlichen Haubergen wird gewöhnlich zu 15-20 Jahren angenommen.
Bewirtschaftung. Beim Abschlagen des Holzes wird alles Nuzholz weggeschafft. Das schwächere Reißigholz und alles übrige Abfallholz (Späne) bleibt zurück, wird auf Haufen gebracht und verbrannt.

Ist der Boden bei dünnem Holzbestande sehr verraset [vergrast] oder mit Ginster und ähnlichen Unkrautpflanzen des Holzes bewachsen, so werden Rasenplaggen [Rasensoden] geschält, getrocknet, auf die Abfallholzhaufen gedeckt und mit diesen zu Asche gebrannt, welche in beiden Fällen über den Schlag gestreut und untergehackt wird. Beim Umhacken werden die jungen Holzsämlinge möglichst geschont. Wo man im Interesse der Holzkultur wirtschaftet , muss bei der letztmaligen Bestellung zugleich der erforderliche Holzsamen mit eingesäet werden. Da gegen bleibt dieselbe in deterioriertem [wert-geminderten] Zustande, wenn der lückenhafte Holzbestand nach der Fruchtnutzung wieder als Viehweide dient, wie dies nicht selten der Fall ist. Je nach der Bodenbeschaffenheit wählt man
Roggen [4] oder Buchweizen, worauf je nach beiden Hafer folgt.

Quellen und Erläuterungen

[1] PINCKERT, Friedrich August; Die vollständige Brenn-Cultur in der Landwirthschaft [Die vollständige Brenn-Kultur in der Landwirtschaft]; Berlin 1861

[2] VETTER, Dr. Roland; Brandrodungsfeldbau und Hackwaldwirtschaft im Odenwald
Eine untergegangene Form der Feld-Wald-Wirtschaft in den deutschen Mittelgebirgen; Arbeitskreis für Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe [hochwertiger Fachaufsatz]

[2a] Zitat aus [2]: "Je nach Örtlichkeit, geltender Rechtsnorm und lokaler Tradition konnte sich im Laufe der Jahrhunderte in den Odenwälder Hackwäldern auf relativ engem Raum eine Reihe von unterschiedlichen Betriebssystemen der Feld-Wald-Wechselwirtschaft entwickeln:
  • Der Wald wurde nur als Brache angesehen und der Feldbau trat in den Vordergrund (Kleiner Odenwald links des Neckars).
  • Holznutzung und Feldbau wurden gleichrangig betrieben (Eberbach).
  • Die Holznutzung geschah vorrangig zur Gewinnung von Eichenrinde als Gerberlohe (Hirschhorn)".
[2b] Weitere Publikationen: Odenwald - Brandrodungsfeldbau und Hackwaldwirtschaft, mit Illustrationen  Hier die Veröffentlichungen unter web.archive.org:
[3] Der Nutzen von Kohle für die Pflanzen, 28. Juli 2015 [bezüglich Erkenntnisse im 18. Jahrhundert; Goethe, Lucas (Pomologe), Prof. Zuccarini, Buchner (Chemiker), Arthur Young, Carl Adolph Agardh]
[4] Vermutlich verwendete man Waldstaudenroggen (Secale multicaule). Er wird bis zu zwei Meter hoch und kann sich somit in der Lichtkonkurrenz gegenüber den Stockaustiebe durchsetzen.
Zu ergründen wäre, ob die mit Roggen bestellten Flächen im Herbst und Winter der Schafweide dienten (Roggenhüten, Winterbeweidung).
[5] http://www.siegerlaender-hauberg.info/index.php/hauberg/jahreslauf

[6] RATZEBURG, Dr. J. T. C.; Forstwirtschaftliche Reisen durch verschiedene Gegenden Deutschlands.; Berlin 1842
Beschauliche, sehr interessante didaktische Reiseliteratur ab Seite 61 ff
https://beeld.teylersmuseum.nl/Digital_Library/Emags/26a_38/page_44.html
[7] Seite 24 ... sehr genaue historische Beschreibung: (PDF)
https://books.google.de/books?id=XXE1AAAAMAAJ

[8] Im Bad Ditzenbacher Gemeindewald entsteht eine Oase für Natur und Geschichte.
https://www.landkreis-goeppingen.de/hackwaldprojekt

[10] KOBBE, Florian Kobbe und KELM, Rüdiger Kelm; Ein Brandrodungsexperiment im Steinzeitpark Albersdorf – Beobachtungen und Ergebnisse; im Heft: EXPERIMENTELLE ARCHÄOLOGIE IN EUROPA BILANZ 2009, Oldenburg 2009
[11] Eine sehr schöne Publikation ist online einsehbar:
RÖSCH, Manfred; Vom Korn der frühen Jahre Sieben Jahrtausende Ackerbau und Kulturlandschaft (Begleitheft zur Ausstellung des Landesamtes für Denkmalpflege); Esslingen 2008;
Hier zum PDF: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/nbdpfbw/article/view/11659/5512
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